22 März '24

Das Jahr von Judy Ann Melchior

Zangersheide Magazine
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Allgemeines
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@sportfot

Das Studbook Zangersheide ist 30 Jahre alt geworden. In den letzten drei Jahrzehnten wuchs das junge Stammbuch zu einem erwachsenen und tonangebenden Spieler in der Welt der Zucht und des Sports heran. Die Zahlen lügen nicht. Zwei Z-Pferde stehen aktuell auf dem ersten und zweiten Platz des FEI-Rankings. Beim Start der World Cup Saison wurden während der ersten fünf Durchgänge drei World Cups von Z-Pferden gewonnen. Auch bei den jungen Pferden dominierten Z-Youngster in den Finals von nationalen Meisterschaften und Weltmeisterschaften. Drei Jahrzehnte Zangersheide sind auf einem festen Fundament gegossen. Es geht mehr als gut mit dem zarten Dreißiger. Judy Ann Melchior kann nur zufrieden zurückschauen. Oder nicht? „Allein sportlich war es wegen unvorhergesehener Umstände ein herausforderndes Jahr für unseren Stall“. Das Z-Magazine trabt mit ihr durch das abgelaufene Jahr.

Es ist eine Gesetzmäßigkeit. Dominator 2000 Z fühlt sich zum Beginn des Jahres immer gut. Das zahlte sich dieses Mal in einem dritten Platz im 5*-GP von Basel aus?

Dominator bleibt bei den Züchtern extrem populär. Dank seiner Nachkommen und seiner Resultate ist er enorm beliebt. Und nicht nur von unserer Familie. Die Liebe wird von vielen Züchtern geteilt. Das fiel auch auf, als er im Frühjahr über Frischsamen verfügbar war. Die Nachfrage stieg exponentiell, was ich verstehe. Sich für Dominator Z zu entscheiden, ist, sich für Sicherheit zu entscheiden. Sowohl im Sport als auch in der Zucht.

MELCHIOR Judy Ann, AHLMANN Christian (GER)_SL_1148-004-1289@Stefan Lafrentz

Im Januar schwitzen, schinden und wühlen die Feldreiter im Modder und im Schlamm. Dann beginnt mit Sicherheit der Zweikampf zwischen Mathieu van der Poel und Wout Van Aert. Und Letzterer muss in entscheidenden Momenten oft den Kürzeren ziehen. Sie haben den Topsport ausgeübt. Wie frustrierend muss das sein?

Es wird früher oder später immer jemand besser sein oder besser werden. Mathieu van der Poel und Wout Van Aert sind Topathleten, und es gibt viele, die weniger gut sind. Das kann für den Zweiten frustrierend sein, auch wenn das ein hervorragender Platz ist. Es ist eben so, wie man es selbst sieht. Als Reiter kann man auch froh sein, wenn man schlichtweg fünf Mal auf das Podium eines GP springt? Oder setzt man auf einen Sieg im Jahr? Das macht jeder mit sich selbst ab. Der Unterschied in unserem Sport ist, dass man selten den gleichen Reiter auf dem ersten Platz sehen wird. Wir haben nicht so etwas wie den ,Schwarzen Peter‘. Als Sportler ist es dein Streben, immer die beste Version von dir selbst zu sein. Mehr kann man nicht werden.

Sie haten im Februar eine neue Idee: das Zangersheide International. Haben Sie noch etwas an Freizeit?

Im Gegenteil. Durch das Zangersheide International wurde der Beginn von 2023 schon sehr hektisch. Nun, ja, das habe ich mir selbst auf den Hals geholt, nicht wahr? Manchmal habe ich Ideen, will die umsetzen und erkenne dann erst, wieviel Arbeit das macht (lacht). Spaß beiseite, die Idee brütete schon länger. Die auslösende Sorge war, dass die Hengstkörung in Lanaken aus den Fugen geriet. Wir wollten ausweiten und unsere Hengstkörung auf ein höheres Niveau heben. Gleichzeitig hatte ich eine Indoorveranstaltung schon länger im Hinterkopf. Das Puzzle gelang. Weil bei Zangersheide Sport und Zucht immer zusammengehen, organisierten wir ein CSI 4*, gekoppelt an die Hengstvorführung, die Hengstkörung und die Auktion.

Muss Ihr neues Kind, gemessen am Interesse des Publikums, nicht viel Befriedigung gegeben haben?

Nennen Sie es Aufatmen nach dem Stress. Es ist doch immer ein bisschen Bangen, wie die Resonanz ist. Ich stelle mir vorab viele Fragen. Eigentlich sollte es doch gut und besser sein, wenn wir zum Sentower Park ausweichen würden? Das ist die Idee. Aber finden die Züchter das auch? Erfahren sie das auf die gleiche Weise? Hoffentlich denken sie auch so darüber? Die Antworten auf die Fragen kann man vorab nicht einschätzen. Hinterher war ich sehr froh (lächelt).

Was war mit den Offenen Tagen von Zangersheide? Die zogen auch viel Publikum an.

Zangersheide International im Sentower Park wurde sehr positiv beurteilt. Aber ich habe auch das Gefühl, dass die Züchter gern nach Zangersheide kommen. Einem Hengst zuhause in seinem Stall in die Augen zu sehen, ist doch noch ein anderes Erlebnis. Darum organisieren wir im nächsten Jahr am 10. März einen Offenen Tag mit Rundführung durch die Ställe und den Betrieb. Und das kombinieren wir mit lehrreichen Vorträgen von spezialisierten Tierärzten über Besamungen, Zucht und Aufzucht. Also steht das Zangersheide International nach dem Erfolg dieses Jahres erneut im Kalender, und es wird in Lanaken auch einen Offenen Tag geben.

Im März kommt die Decksaison in Gang. Ist das auch spannend?

Ich bin doch immer froh, wenn das in Gang kommt. In diesem Jahr ist alles spät in Gang gekommen. Glücklicherweise sehe ich das auch in meiner Zucht. Keine Panik also (lächelt). Für unsere Züchter investiere ich in jedem Jahr in Hengste, an die ich in der Zucht glaube, und im Sport, wenn es sich um junge Hengste handelt. Dann schaut man schon darauf, wie sie von den Züchtern angenommen werden. Nach all den Jahren ist es schon fein, um festzustellen, dass wir eine treue Kundschaft haben. Und dass wir außerdem dank unseres variationsreichen Angebots immer neue Züchter anziehen.

Im April begann der GCT-Circuit in Miami und in Mexiko, wo Christian Ahlmann sprang. Hatten Sie Zeit dafür?

Weil ich zwei Schulkinder habe und im April Osterferien sind, nahm ich die Gelegenheit wahr, sie nach Miami mitzunehmen. Und wissen Sie was? Wir hatten kein Ferienwetter. Es hat dort geregnet. Soviel sogar, dass das Springen an einem Tag annulliert wurde. Es waren daher Ferien mit einem tropischen Sturm.

Dann sind Sie also nach Mexiko weitergeflogen?

Christian ja, ich bin mit den Kindern nach Hause geflogen. Sie mussten zurück in die Schule.

Sie verfolgten den GCT von Mexiko per Livestream und sahen…

Nichts mehr, denn es war schon Nacht und ich bin in den Schlaf gefallen (lacht). Und plötzlich klingelte das Telefon. Und noch einmal und noch einmal. Es war zwei Uhr. Leute, die mich mitten in der Nacht anrufen? Das war merkwürdig. Ich nahm das Telefon und das erste, was ich hörte, war: „Er lebt noch“. Ich lag halb im Schlaf, und dann hört man so etwas. Oh je, was? Christian war gestürzt, schwer gestürzt, und dann dauert es eine Ewigkeit, bevor man weiß, was echt an der Hand ist. Es war die ekligste Nacht von 2023.

Und so kam es, dass Dominator über Frischsamen verfügbar wurde?

Das ist die harte Realität. Ich war um Christian besorgt, die Züchter waren froh über Dominator (lacht). Christian war zwei Monate außer Gefecht, Dominator deckte in der Periode und nahm danach den Sport wieder auf. Auf seinem ersten Turnier verletzte er sich. Christian war wieder da, Dominator war weg. Im März brach sich Christian schon seine Nase bei einem Fall von einem Pferd, das er ausprobierte. Und einen Tag vor der WM stürzte er wieder und brach sich einen Finger. Mit anderen Worten: 2023 war sportlich ein herausforderndes Jahr für unseren Sportstall. In Mexiko fiel Christian von Solid Gold Z. Wir haben Solid Gold Z nach seiner Heimkehr in der Klinik umfassend untersucht, und er schien zuerst in Ordnung zu sein, aber er war es doch nicht. Wir werden ihn auch erst im nächsten Jahr wieder sehen. Zum Glück gab es auch einige sportliche Aufmunterungen. Christian gewann mit Mandato vd Neerheide den GCT-GP von Paris, in dem Cassius Clay VDV Z (Calvino Z) Zweiter wurde. Nach dem GP gewann Christian auch die abschließende 1,55-m-Prüfung mit dem neunjährigen Otterongo Alpha Z (Darco). Paris war eine Aufmunterung.

Über zur Musik. RIP Tina Turner.

Wer kennt ihre Musik nicht? Aber ich habe sie nie live gesehen.

Wen würden Sie gern einmal live sehen?

Tomorrowland sagt mir schon etwas, das möchte ich schon einmal live erleben. Oder Nickelback. Bruce Springsteen habe ich schon live gesehen. Mein Musikgeschmack ist sehr variiert. Das Problem mit Konzerten ist, dass ich meistens zu spät bin. Wenn ich daran denke, Karten zu kaufen, ist es schon ausverkauft.

Für die EM Springen gab es noch Karten. Schweden gewann Gold, genau wie Steve Guerdat. Belgien nur Elfter?

Letzteres tut der Qualität der Pferde und der Reiter keinen Abbruch. Wie schon zuvor angesprochen, hat jeder Reiter und darüber hinaus jedes Land seine Periode von Hoch- und Niedrigkonjunktur. Belgien hatte ein goldenes Team, das 2019 Europameister wurde. Dann gewann es auch Bronze bei der nächsten EM und bei den Olympischen Spielen von Tokio. Die Pferde werden älter, und es ist Aufgabe des Stallmanagements, die Nachfolge sicherzustellen. Die außergewöhnlichen Pferde folgen einander nicht immer in dem Tempo, das man will. Und inzwischen muss man weiter glauben und anpacken. Das gehört zu unserem Sport. Das sagt auch viel darüber aus, wie außergewöhnliche Pferde sein können. Und es ist nicht einfach, die Pferde zu finden, zu halten und ihnen Zeit zu geben, um sie zu einem Spitzenpferd aufzubauen. Das macht aus einem guten Reiter auch einen Topreiter. Nehmen wir die Titel und Medaillen von Ludger Beerbaum, Steve Guerdat. Oder Christian mit Cöster, Codex One, Taloubet Z und Dominator Z.

Otterongo Alpha Z_Christian AhlmannPrijsuitreiking Parijs @Sportfot1583-MH201872

Es wird in Zukunft dank der Z-Züchter vielleicht etwas leichter? Ihre Pferde treiben immer mehr nach oben. Zwei Z-Pferde stehen auf Platz eins und zwei im FEI-Ranking, Z-Pferde gewannen kürzlich die World Cups von Oslo, Helsinki und Stuttgart. Und in der Serie für junge Pferde sind sie prominent anwesend.

Eine positive Tendenz, die sich schon einige Jahre abzeichnet. Unser Stammbuch wächst exponentiell. Gleichzeitig steigt die Qualität. Wenn man die beiden Elemente zusammenbringt, treiben die besseren Pferde nach oben. Das ist das Verdienst unserer Züchter.

Christian Ahlmann brach am Tag vor der WM seinen Finger. Haben Sie nie erwogen, selbst junge Pferde bei der WM zu reiten?

Dass ich selbst nicht darauf gekommen bin (lacht). Ich fand es schon schade für Christian. Die jungen Hengste sind nach der Decksaison zu ihm gegangen und er hat sich echt mit ihnen beschäftigt. Viel Zeit und Energie hineingesteckt und dann passiert das. Er hat es noch probiert, aber es ging nicht. Mit jungen, unerfahrenen Hengsten muss man natürlich zu 100 Prozent körperlich fit sein. Die WM Springen war, mit anderen Worten, keine Option.

Sires, BM, WM – über Tag ist der Sport spannend. Abends ist es für Sie mindestens ebenso spannend. Bei den Auktionen?

Wir versteigern das ganze Jahr hindurch, von Embryos über Fohlen bis zu jungen Pferden und Zuchtstuten. Die Zangersheide Quality Auction ist so etwas wie der Schlusspunkt der Auktionssaison und ist sehr hoch angesehen.  Sie ist zugleich zahlenmäßig unsere größte Auktion.

In den letzten Jahren wurden Rekordpreise erzielt. Das war in diesem Jahr nirgends mehr der fall.

Keine Rekordpreise, aber immer noch Spitzenpreise. Dürfen wir realistisch sein? Wenn ein Fohlen für 50.000 bis 60.000 Euro versteigert wird, darf man doch von einem Spitzenpreis sprechen? In den vergangenen Jahren haben sich viele Leute bei den Rekordpreisen blindgestarrt. Für mich ist eine Auktion gelungen, wenn wir mehr Züchter glücklich machen. Wenn ich unsere Durchschnittspreise sehe, sind die mit den vorigen Jahren vergleichbar. Vor allem, wenn man einen Rekordpreis berücksichtigt, der den Durchschnitt erhöht. Es wird immer noch viel Geld für unsere Auktionsfohlen bezahlt. Ich habe lieber einen hohen Durchschnitt als einen neuen Rekord. Mit einem höheren Durchschnitt macht man mehr Leute glücklich. Und das bin ich auch, weil es uns doch wieder gelang, die besseren Fohlen anzubieten. Darauf reagierte der Markt sehr positiv. Nachfrage und Angebot sorgen immer für eine Balance, wobei Extreme immer zur Mitte zurückkehren. Und unsere Mitte ist sehr solide. Zangersheide hat in den vergangenen 30 Jahren ein festes Fundament gelegt. Das zeigt sich an der Qualität unserer Züchter, und das Ergebnis sieht man dann wieder auf den verschiedenen Auktionen und im Sport. Ich nicht anders als mit 2023 zufrieden zu sein.

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