25 März '24

Die Familie Hoekstra: eine Familiensache in Zucht und Sport

Zangersheide Magazine
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Zucht
Fam. Hoekstra met Elentrix Hedoniste

@WilSmeets

Ein eigenes Zuchtprodukt bei einem Finale der FEI WBFSH Jumping World Breeding Championship For Young Horses zu haben... Das ist wohl der Traum vieler Züchter auf der ganzen Welt, aber leider eher die Ausnahme als die Regel. Das Niveau ist unglaublich hoch und die Finalplätze sind dann auch begrenzt. Wenn dann drei Ihrer Zuchtprodukte im gleichen Jahr das Finale erreichen, diese drei Pferde alle aus der gleichen Stute stammen und als Sahnehäubchen alle unter dem Sattel Ihres eigenen Sohnes auftreten, kann man sicherlich von einem einzigartigen Ereignis sprechen. So geschehen in diesem Jahr bei der niederländischen Familie Hoekstra, einer engagierten und passionierten Familie, in der jedes Familienmitglied eindeutig seinen Beitrag zum Erfolg leistet. Höchste Zeit für eine ausführliche Vorstellung.

Als wir Het Haringvliet, eine ehemalige Mündung der Nordsee in Südholland, passiert haben, werden wir auf dem Hoekstra-Anwesen in Middelharnis herzlich von Sohn Jelmer empfangen, der für diesen Anlass seinen Sportstall in Geel verlassen hat und in den Familienbetrieb zurückgekehrt ist. Nach einer kurzen Anekdote über den Stallnamen ‚vh Haringvliet‘ sind auch die Eltern Auke und Annet und seine ältere Schwester Yoni zu uns gestoßen. Gemeinsam führen sie uns durch die Zuchtabteilung der Familie Hoekstra, in der sowohl selbst gezüchtete Pferde als auch Aufzuchtpferde stehen. „Pferde und Zucht lagen uns schon immer im Blut“, sagt Auke. „Mein Großvater war ein leidenschaftlicher Pferdenarr, und so wurden mein Bruder und ich auch hineingezogen. Das ging von mal ein Pferd kaufen und einreiten, bis hin zur Zucht einiger Fohlen. Ich erinnere mich, dass damals der Hengst Nimmerdor gerade zu Van de Lageweg gekommen war und wir da auch 3 Fohlen von Nimmerdor gezüchtet haben. Aber weil wir dann mit unserem Ackerbaubetrieb angefangen haben, haben wir uns hauptsächlich darauf konzentriert und die Pferdegeschichte wurde eigentlich auf die lange Bank geschoben. Ab und zu wurde noch ein Pferd gekauft, damit ich etwas reiten konnte, aber das war eigentlich minimal, weil ich damals auch einfach nicht die Zeit dafür hatte.“

Yoni & Jelmer

Die Pferdegeschichte in der Familie Hoekstra bekam neuen Elan, als klar wurde, dass sowohl Yoni als auch Jelmer die Gene ihres Vaters geerbt hatten. „Wie meistens haben auch wir mit Ponys angefangen“, erklärt Yoni. „Am Anfang sahen wir das als reines Hobby, aber es stellte sich bald heraus, dass wir ehrgeizig waren. Und so wurde auf den Sport umgestellt und wir sind mit 2 Anhängern zu den Wettbewerben gefahren. Da ich die Älteste war, habe ich eigentlich immer angefangen, die Ponys zu reiten und wenn sie dann ein gewisses Niveau erreicht hatten, hat Jelmer die Zügel übernommen. Etwas, das sich eigentlich nie geändert hat (lacht).“

Irgendwann kam Yoni in das Alter, in dem es notwendig war, auf Pferde umzusteigen, und die Familie Hoekstra hat teilweise auf Aufzucht von Pferden umgestellt. „Damals war es im Ackerbau eigentlich alles ziemlich schwierig. Da wir viel Land zur Verfügung hatten (insgesamt ca. 68 ha) und bei den Pferden angebissen hatten, haben wir uns dann entschieden, einen Aufzuchtbetrieb zu gründen. Und das wiederum hat uns veranlasst, auch wieder mit der Zucht zu beginnen, wenn auch hauptsächlich auf Hobbybasis. Wir hatten damals eine Lando-Stute namens Madonna, die einen Hufriss hatte und aus der wir unser erstes Fohlen Enrique (Tangelo van de Zuuthoeve) züchteten. Der sprang hier mit Yoni bis 1,20 m und schaffte nach seinem Verkauf den Durchbruch unter dem Sattel von Mel Thijssen. Das war tatsächlich eines der ersten Pferde, mit denen Mel hohe Springen bestritt. Da der Mutterstamm aber eher gewöhnlich war, beschlossen wir, nicht weiter mit Madonna zu züchten. In dieser Zeit gab es auch eine Andiamo Z-Stute, mit der Jelmer einige höhere Prüfungen gesprungen ist, aber auch mit ihr haben wir nicht weiter gezüchtet. Es bedeutet nicht immer, dass eine Stute, die sich im Sport bewährt hat, auch für die Zucht geeignet ist.“

Jelmer en Yoni

Elentrix Hedoniste

Natürlich war die Familie Hoekstra auch immer auf der Suche nach guten jungen Pferden für den Sport, und so lief ihnen 2013 ihre Stammstute Elentrix Hedoniste (Ogano Sitte) über den Weg, wenn auch eher unerwartet, wie Jelmer erzählt... „Mein Vater und ich fuhren eines Abends nach Belgien und schauten ursprünglich nach der Vollschwester von Elentrix, die ein Jahr älter war. Die habe ich damals auch selbst ausprobiert, aber sie war so heiß und hektisch, dass wir uns eigentlich nicht wohl dabei fühlten, sie zu kaufen. Tatsächlich hatten wir damals eine Stute von einem Besitzer hier, die  auch so hektisch war, und wir wussten, wie schwierig das war (lacht). Also haben wir uns dann zufällig auch Elentrix angeschaut. Sie war damals erst 3,5 Jahre alt und war gerade erst eingeritten worden. Auch sie hatte mehr als genug Blut, aber sie schien körperlich etwas geeigneter zu sein, was das Springen angeht, als ihre Vollschwester und vor allem etwas weniger hektisch.“

Als sie bei der Familie Hoekstra ankam, war es zunächst Yoni, die sich um Elentrix kümmerte. Sie stellte sie in den leichteren Prüfungen vor und bildete sie dann bis zum 1,20m-Niveau aus, bevor Jelmer 2016 die Zügel übernahm. „Ich habe tatsächlich zwischendurch angefangen, Elentrix zu reiten, aber zu der Zeit bin ich auch bei Leon Thijssen geritten, so dass ich nicht eben viel Zeit dafür hatte. Daher wurde sie eine Zeit lang abwechselnd von Yoni und mir geritten. Als ich sie schließlich übernahm, zweifelte ich auch eine Zeit lang daran, ob sie nicht zu schwierig wäre, weil alles ein bisschen wechselhaft lief...dann eine Zeit lang gut, dann eine Zeit lang weniger, dann wieder gut... Sie hatte viel Einstellung in der Bahn und sie wollte wirklich vorsichtig sein, aber es war ein bisschen eine Suche, ihr Temperament unter Kontrolle zu bekommen. Aber eigentlich war es vor allem in den leichteren Prüfungen so, dass es immer eine Suche war, denn ab dem Moment, wo es höher stand, fing sie an, mehr auf sich zu achten und es ging alles viel leichter. Ich hatte in dieser Zeit auch die Gelegenheit, bei Leon die Pferde Chaplin und Tyson zu reiten, und ich denke, dass sie von der Qualität her in diese Kategorie von Pferden fiel. Sie gehörte zu den Pferden, die in einem mehrtägigen Wettbewerb wachsen und am letzten Tag immer die Besten sind. Deshalb war es besonders bedauerlich, dass eine Verletzung ihrer sportlichen Karriere ein frühes Ende setzte.“

Unity van het Haringvliet (1)

Vision in der Zucht

„Aber jeder Nachteil hat auch einen Vorteil“, sagte Johan Cruyff einmal. In der Tat bedeutete das Ende der Sportkarriere von Elentrix Hedoniste auch den unmittelbaren Beginn einer schon jetzt erfolgreichen Zuchtkarriere. „Wir hatten schon 2015 versucht, sie zu spülen, aber leider hat damals nichts geklappt. Nach ihrer Verletzung im Jahr 2016 haben wir es dann geschafft, zwei zu spülen: Maddox (vh Haringvliet Z) und Mystery Lady (vh Haringvliet Z). Mit Mystery war ich übrigens letztes Jahr auch für die FEI WBFSH Jumping World Breeding Championship For Young Horses qualifiziert, sie wurde aber kurz vorher in die USA verkauft. 2017 haben wir dann auch mit K-One Pgo (F One USA) angefangen zu züchten und bis heute sind das auch die 2 Stutenlinien, mit denen wir hauptsächlich züchten. Zunächst mit den Stuten selbst, aber inzwischen züchten wir auch mit einigen Töchtern dieser Stuten. Gelegentlich gibt es auch ein Fohlen aus einem anderen Mutterstamm, aber das ist eigentlich eher die Ausnahme“, sagt Jelmer.

Die Zucht der Familie Hoekstra ist eine Familiensache, bei der Jelmer, seine Eltern und seine Schwester ein Wörtchen mitzureden haben. „Vor Beginn der Zuchtsaison machen wir eine Liste der Stuten, die wir decken lassen wollen, und für jede Stute machen wir alle einzeln eine Liste der Hengste, die wir für passend halten. Da wir sie nie als Fohlen verkaufen, achten wir bei der Auswahl der Hengste weniger auf den kommerziellen Aspekt, sondern vor allem auf die Kombination, die gut sein muss. Die Qualitäten des Hengstes müssen die der Stute wirklich ergänzen. In den letzten Jahren versuchen wir verstärkt, Hengste einzusetzen, die aus einer guten Mutterlinie stammen. Das spiegelt sich oft in ihren Nachkommen wieder. Wenn wir dann alle eine Liste erstellt haben, werfen wir sie zusammen und treffen eine endgültige Auswahl. Die Tatsache, dass ich auch auf den Müttern geritten bin, macht es mir natürlich ein bisschen leichter zu bestimmen, welche Punkte besonders verbessert werden sollten (lacht).”

Die Familie Hoekstra setzt mit ihrer Zucht ganz klar auf den Sport und will ihren jungen Pferden deshalb alle Möglichkeiten und vor allem die nötige Zeit geben. „Natürlich lassen wir unsere jungen Pferde schon 3-jährig freispringen, damit sie alles ein bisschen lernen können, aber wir denken, dass es eigentlich noch zu früh ist, um eine Auswahl zu treffen, welche Pferde gut genug sind oder nicht. Zunächst einmal sieht man, dass das Freispringen in diesem Alter sehr variabel ist, und die Erfahrung hat mich auch gelehrt, dass sich Pferde im Alter von ihrem 4. bis zum 5. Jahr unglaublich stark verändern. Und ganz besonders die Pferde, die aus der Linie von Elentrix kommen. Deshalb wollen wir sie auf keinen Fall zu früh verkaufen. Das Ganze kostet natürlich Geld, aber wir haben den großen Vorteil, dass wir alles in eigener Regie haben. Die Pferde werden hier geboren und dann aufgezogen, bevor wir als 3- oder 4-Jährige anfangen, mit ihnen arbeiten. Weil wir das dann auch mit der Aufzucht anderer Pferde kombinieren können, können wir die Kosten relativ niedrig halten.“

Die Absicht im Hause Hoekstra ist es, in aller Ruhe die Pferde aus eigener Zucht auszubilden. Die FEI WBFSH Jumping World Breeding Championship For Young Horses passt auch in dieser Hinsicht gut in ihre Vision. „Einer der Gründe, warum ich mit meinen jungen Pferden schon seit einigen Jahren nach Zangersheide komme, ist, dass ich es für einen idealen Messpunkt halte, um zu sehen, wie weit man mit seinen Pferden ist. Es ist oft ein schöner Sport und man kann sich zudem auch mit den besten Pferden der Welt messen. Ein zweiter Grund ist natürlich auch der kommerzielle Aspekt. Wir wollen sie zwar nicht als Fohlen oder 3-jährige Pferde verkaufen, aber ab und zu muss schon etwas geschehen. Die Weltmeisterschaft ist daher der ideale Ort, um ins Rampenlicht zu springen.“

Maddox vh Haringvliet Z

Auf jeden Fall hat die Teilnahme an der Ausgabe 2023 der Familie Hoekstra nicht geschadet. Sportlich gesehen wurde mit der Bronzemedaille für Maddox vh Haringvliet Z (Monte Bellini) bei den 6-jährigen Pferden und den Finalplätzen für seine Halbschwestern Vinardi vh Haringvliet Z (Verdi TN) und Unity vh Haringvliet Z (Unaniem AD) bei den 5-Jährigen ein Traum wahr, aber auch kommerziell war es ein Volltreffer. „Die gute Leistungen in Lanaken haben natürlich zu einem besonderen Interesse an Maddox geführt, und einige Wochen nach dem Finale haben wir ihn zur Hälfte an Ben Maher verkauft. Er war der erste, der nach der zweiten Qualifikation am Freitag danach fragte, und ich hatte ihm mein Wort gegeben, dass er die erste Option bekommen würde. Außerdem gefiel mir die Vorstellung, dass ein solches Pferd an jemanden wie Ben Maher gehen würde. Er ist zweifellos einer der besten Reiter der Welt, und man weiß, dass er dort jede Chance bekommen wird. Ben wollte ihn wirklich mit Blick auf den Sport und wird mit ihm ab Januar beim Winter Equestrian Festival in Wellington an den Start gehen.“

Zukunft

Was die Zukunft betrifft, so haben die guten Leistungen in Lanaken die Zuchtvision der Familie Hoekstra nur bestätigt. „Bis jetzt haben wir 8 bis 10 Fohlen pro Jahr gezüchtet, und mit diesen Stuten möchten wir das auf 10 bis 15 pro Jahr ausweiten. Das Wichtigste ist, dass wir das Ganze überschaubar halten und den Pferden genügend Zeit und Aufmerksamkeit schenken können“, sagt Auke. „Es ist sicherlich unsere Absicht, ein paar Pferde in Zukunft etwas länger für den Sport zu behalten und sie zum Beispiel acht Jahre alt werden zu lassen“, fügt Jelmer hinzu. „Aber wenn sich die Gelegenheit ergibt, sie gut zu verkaufen, muss man auch realistisch sein. Und ich bin zufällig ein besserer Verkäufer als mein Vater (lacht).“

Jelmer Hoekstra met Maddox van het Haringvliet

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